Kundgebung zum Antikriegstag „Gegen den Krieg – Solidarität mit der Ukraine“ am 1.9.2023

Redebeiträge auf der Kundgebung:

Rede von Eckart Conze, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Philipps-Universität Marburg

Entführte Kinder. Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Getötete Kinder. Kinder als Opfer des Krieges. Wer die Nachrichten aus der Ukraine verfolgt, wem käme nicht Bertolt Brechts Gedicht vom „Kinderkreuzzug“ in den Sinn, entstanden 1941. Es beginnt so:

In Polen, im Jahr Neununddreißig 
War eine blutige Schlacht 
Die hatte viele Städte und Dörfer 
Zu einer Wildnis gemacht.

Die Schwester verlor den Bruder 
Die Frau den Mann im Heer; 
Zwischen Feuer und Trümmerstätte 
Fand das Kind die Eltern nicht mehr

Der Krieg, der Brecht nicht losgelassen hat, der Krieg ist zurück in Europa. Der Angriffskrieg. Der Vernichtungskrieg.
Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als acht Jahrzehnte nach dessen Beginn am 1. September 1939. Das Unvorstellbare ist zur blutigen, zur grausamen, zur verstörenden Realität geworden. Entsetzliche Bilder – Butscha, Irpin, Mariupol – entsetzliche Bilder schockieren uns. Sie verschlagen uns den Atem und die Sprache. Sie machen uns fassungslos.
Die blutige Vergangenheit Europas hat uns eingeholt. Die Vergangenheit der Gewalt, der Zerstörung und des Terrors ist nicht vergangen. Sie ist wieder zur Gegenwart geworden. Auch darin liegt der Epochenbruch des 24. Februar 2022. Für Europa und Deutschland, für uns als Europäer und Deutsche, hat eine neue Zeit begonnen. Eine neue Zeit, zu der aber die Rückkehr einer überwunden geglaubten Vergangenheit gehört. So verbinden sich Geschichte und Gegenwart, und gerade an einem 1. September wird uns das ganz besonders bewusst.

den vollständigen Text der Rede finden Sie hier

Rede von Hubert Kleinert, Sprecher der Initiative Zeitenwende Marburg:

Ich bin Hubert Kleinert, der Sprecher der Initiative Zeitenwende Marburg und ich darf Sie alle hier auch im Namen der Mitveranstalter dieser Veranstaltung herzlich begrüßen. Mitveranstalter sind die Grünen Marburg, die SPD Marburg, die CDU Marburg, die FDP, die evangelische Kirche, die jüdische Gemeinde Marburg, der deutsch-ukrainische Verein Hand in Hand, Pulse of Europe und die jungen Europäischen Föderalistinnen.
Wir haben uns hier versammelt, um an jenen schrecklichen Tag zu erinnern, an dem heute vor 84 Jahren mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen hat. Dieser vom nationalsozialistischen Gewaltregime entfesselte Krieg hat bis 1945 etwa 65 Millionen Tote gefordert – Soldaten wie Zivilsten. Allein 27 Millionen damalige Sowjetbürger sind ums Leben gekommen, etwa zehn Millionen Deutsche und sechs Millionen Polen. Mindestens sechs Millionen Juden sind dem rassistischen Vernichtungswahn des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. Und für Hunderte von Millionen bedeutete dieser Krieg Zerstörung, Hunger, Elend und Verlust ihrer Heimat.
Die Erinnerung an diese größte kriegerische Katastrophe der neueren Menschheitsgeschichte und an die grauenvolle Vernichtungsmaschinerie des Nationalsozialismus mahnt uns auch heute zum Frieden. Sie mahnt uns, alles dafür zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann. Sie mahnt uns zur friedlichen Zusammenarbeit der Völker. Sie mahnt uns zur Absage an Rassismus, Nationalismus und Chauvinismus. Und sie mahnt uns zur Ächtung des Krieges als Mittel der Politik. Nie wieder darf Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln akzeptiert werden. Deswegen sind wir hier. Wir stehen für den Frieden. Und wir stehen für den friedlichen Interessensausgleich mit den Mitteln der Politik.

den vollständigen Text der Rede finden Sie hier

Aufruf zur Kundgebung:
Gegen den Krieg – Solidarität mit der Ukraine

Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Der vom nationalsozialistischen Gewaltregime entfesselte Krieg hat bis 1945 etwa 65 Millionen Tote gefordert – Soldaten wie Zivilisten. Allein 27 Millionen Bürger der früheren Sowjetunion haben ihr Leben lassen müssen, darunter 13 Millionen Soldaten der Roten Armee. Knapp zehn Millionen Deutsche sind ums Leben gekommen. Sechs Millionen Juden sind dem rassistischen Vernichtungswahn des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. Und für Hunderte von Millionen Überlebender bedeutete dieser Krieg Zerstörung, Hunger, Not und Elend, Verlust ihrer Heimat und der materiellen Existenz. Und Trauer um den Verlust von Angehörigen.

Die Erinnerung an diese größte kriegerische Katastrophe der Menschheitsgeschichte mahnt uns auch heute zum Frieden. Sie mahnt uns, alles dafür zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann. Sie mahnt uns zur friedlichen Zusammenarbeit der Völker und zur Ächtung des Krieges als Mittel der Politik. Und sie mahnt uns zur Absage an Rassismus, Nationalismus und Chauvinismus.

Dieser Tag mahnt uns aber auch zur Solidarität mit den Opfern kriegerischer Aggression. Im Jahr der 84. Wiederkehr des deutschen Überfalls auf Polen sind wir heute in Europa mit der Wiederkehr des Krieges konfrontiert. Am 24. Februar 2022 hat Russland einen offenen Angriffskrieg gegen einen souveränen Nachbarstaat, die Ukraine, begonnen. Dieser von niemandem provozierte Angriff ist nicht nur in dieser Form einmalig in der europäischen Nachkriegsgeschichte. Er erinnert zugleich in fataler Weise an den Überfall des Nazi-Regimes auf Polen 1939. Erstmals seit 1945 versucht ein europäischer Staat, die Existenz eines anderen, unabhängigen Staates mit den Mitteln militärischer Gewalt zu vernichten und Grenzen gewaltsam zu verschieben. Die Begründungen für diesen verbrecherischen Angriffskrieg sind absurd. Wenn die russische Kriegspropaganda behauptet, es gehe darum, ein „nazistisches“ System in der Ukraine zu beseitigen, beleidigt sie damit die historische Erinnerung an den Kampf gegen das nationalsozialistische Terrorregime und die Opfer in der damaligen Sowjetunion. Zu diesen Opfern gehören auch Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern. Die Ukraine war während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das am stärksten von brutaler Gewalt heimgesuchte Land Europas. Heute ist das wieder so.

Der Krieg in der Ukraine hat bis heute viele Zehntausend Tote gefordert – Soldaten wie Zivilisten. Millionen von Menschen haben ihre Heimat verlassen müssen. Mit dem russischen Militär in der Ukraine sind die Schrecken des Krieges nach Europa zurückgekehrt.

Als Opfer der russischen Aggression hat die Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung. Sie nimmt es entschlossen und wirksam wahr. Wir aber haben die moralische und politische Verpflichtung, dem Opfer der Aggression beizustehen und wirksame Unterstützung zu leisten.

Wirksame Unterstützung bedeutet in diesem Fall nicht nur, dass wir die Ukraine moralisch, politisch, ökonomisch und humanitär unterstützen. Sie bedeutet auch, dass wir militärische Hilfe leisten.

Der Wille zum Frieden und das Gebot wirksamer Unterstützung der Opfer eines Angriffskrieges sind nicht einfach miteinander zu verbinden. Auch westliche Waffen töten. Deshalb fällt auch uns die Zustimmung zu Waffenlieferungen nicht leicht. Aber die Verteidigung der Ukraine muss erfolgreich sein, weil die Logik der Gewalt nicht über das Recht und den Grundsatz der friedlichen Kooperation triumphieren darf. Deshalb muss unsere Unterstützung der Ukraine anhalten. Auch die militärische Unterstützung. Würden die westlichen Demokratien diese militärische Unterstützung nicht leisten, gäbe es die Ukraine als souveränen Staat wahrscheinlich nicht mehr.

Wir wollen, dass dieser Krieg bald ein Ende findet, dass Tod, Gewalt und Zerstörung aufhören. Wir setzen darauf, dass die Ukraine stark genug ist, damit Russland sich gezwungen sieht, einem für die Ukraine akzeptablen Verhandlungsfrieden zuzustimmen, der ihre staatliche Souveränität und Integrität sichert und ausreichende Sicherheitsgarantien für die Zukunft schafft.

Der Krieg in der Ukraine steht in besonderer Weise im Blickpunkt, weil er ein Aggressionskrieg ist, der an imperialistische Eroberungskriege vergangener Jahrhunderte erinnert und unsere eigenen Sicherheitsinteressen unmittelbar berührt. Wir dürfen aber an diesem Tage auch die vielen anderen Kriege und gewaltsamen Konflikte auf der Welt nicht vergessen – in Syrien, im Kongo, im Jemen, in Haiti und an vielen anderen Orten dieser Erde. Das internationale Rote Kreuz nennt die Zahl von über 100 gewaltsamen Konflikten im Jahr 2023.

Der Antikriegstag am 1.September erinnert uns alle an die Schrecken des Krieges. Er mahnt uns, im Einsatz für Frieden und gewaltfreie Konfliktlösungen nicht nachzulassen. Er verpflichtet uns aber auch zur Solidarität mit den Opfern militärischer Aggression. Gegen den Krieg zu sein, bedeutet am 1. September 2023 auch, solidarisch mit den Menschen in der Ukraine zu sein, die dort Freiheit und Selbstbestimmung verteidigen.

Deswegen rufen wir die Marburgerinnen und Marburger auf: Kommen Sie zur Kundgebung am 1. September 2023 um 17 Uhr auf dem Marktplatz. Setzen Sie ein Zeichen: Gegen den Krieg – Solidarität mit der Ukraine!

Zeitenwende Marburg
Bündnis 90/Die Grünen Marburg
Die Marburger SPD
CDU Marburg
FDP Marburg
Evangelischer Kirchenkreis Marburg
Jüdische Gemeinde Marburg
Deutsch-ukrainischer Verein MAVKA
Pulse of Europe
Junge Europäische Föderalist:innen