Protest- und Solidaritätskundgebung „Marburg an der Seite der Ukraine“ am 25.2.2023

Redebeiträge auf der Kundgebung

Rede von Yurii Radiev:

Heute, ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, möchte ich auf drei Argumente eingehen, die ich oft zur Verteidigung der Russischen Föderation höre.

Eines davon ist die „Osterweiterung der NATO“, d. h., dass die NATO die Russische Föderation irgendwie „bedroht“ oder dass sie von der Ukraine „provoziert“ wurde. Abgesehen davon, dass dies völliger Unsinn ist, möchte ich hinzufügen, was Putin selbst am 29. Juni auf einer Pressekonferenz in Aschgabad, Turkmenistan, sagte, als er nach seiner Meinung zum NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens gefragt wurde. Hier ein direktes Zitat auf Russisch: „Что касается Швеции и Финляндии: у нас нет таких проблем со Швецией и Финляндией, которіе, к сожалению, есть с Украиной. У нас нет ни территориальніх вопросов ни споров. У нас нет ничего, что нас могло бі беспокоить с точки зрения членства Финлянди или Швеции в НАТО“. „Was Schweden und Finnland betrifft, so haben wir mit Schweden und Finnland nicht solche Probleme, wie wir sie leider mit der Ukraine haben. Wir haben weder territoriale Fragen noch Streitigkeiten. Wir haben nichts, was uns bei einem NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens beunruhigen könnte“. Bitte denkt über diese Worte nach: „Territoriale Streitigkeiten“. Der Diktator selbst hat bestätigt, dass alle Gespräche über die NATO-Erweiterung nur ein Vorwand waren, um seine Invasion in der Ukraine zu rechtfertigen. Und was für territoriale Streitigkeiten hatte Russland mit der Ukraine? Putin hat nur noch einmal bestätigt, was alle wussten: die unrechtmäßige Annexion der Halbinsel Krim und die russische Besetzung der Region Donbass, die 2014 begann. Vor allem letzteres wurde in einem kürzlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 30. November 2022 bestätigt.

den vollständigen Text der Rede finden Sie hier

Rede von Hubert Kleinert, Sprecher der Initiative Zeitenwende:
Ich bin Hubert Kleinert, der Sprecher der Initiative Zeitenwende Marburg und ich darf Sie alle hier auch im Namen der Mitveranstalter dieser Veranstaltung herzlich begrüßen. Mitveranstalter sind die Grünen Marburg, die SPD Marburg, die CDU Marburg, die FDP, die evangelische Kirche, die jüdische Gemeinde Marburg, der deutsch-ukrainische Verein Hand in Hand, Pulse of Europe und die jungen Europäischen Föderalistinnen.
Wir haben uns hier versammelt, um an jenen schrecklichen Tag zu erinnern, an dem heute vor 84 Jahren mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen hat. Dieser vom nationalsozialistischen Gewaltregime entfesselte Krieg hat bis 1945 etwa 65 Millionen Tote gefordert – Soldaten wie Zivilsten. Allein 27 Millionen damalige Sowjetbürger sind ums Leben gekommen, etwa zehn Millionen Deutsche und sechs Millionen Polen. Mindestens sechs Millionen Juden sind dem rassistischen Vernichtungswahn des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. Und für Hunderte von Millionen bedeutete dieser Krieg Zerstörung, Hunger, Elend und Verlust ihrer Heimat.
Die Erinnerung an diese größte kriegerische Katastrophe der neueren Menschheitsgeschichte und an die grauenvolle Vernichtungsmaschinerie des Nationalsozialismus mahnt uns auch heute zum Frieden. Sie mahnt uns, alles dafür zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann. Sie mahnt uns zur friedlichen Zusammenarbeit der Völker. Sie mahnt uns zur Absage an Rassismus, Nationalismus und Chauvinismus. Und sie mahnt uns zur Ächtung des Krieges als Mittel der Politik. Nie wieder darf Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln akzeptiert werden. Deswegen sind wir hier. Wir stehen für den Frieden. Und wir stehen für den friedlichen Interessensausgleich mit den Mitteln der Politik.

den vollständigen Text der Rede finden Sie hier

Gemeinsamer Aufruf der demokratischen Parteien in Marburg, der Kirchen, NGOs und der Ukrainischen Community:

Am 24.02.2023 ist es ein Jahr her, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat. Was trotz der russischen Aggression von 2014 kaum jemand bei uns für möglich gehalten hatte, ist eingetreten: Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt.
Die Aggression Russlands ist nicht nur ein äußerst schwerwiegender Bruch der tragenden Grundprinzipien des Völkerrechts. Er ist auch in der europäischen Geschichte seit 1945 ohne Beispiel. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte versucht ein europäischer Staat, die staatliche Integrität eines anderen Staates mit den Mitteln militärischer Gewalt zu vernichten.
Die Begründungen für diesen verbrecherischen Angriffskrieg sind absurd. Wenn behauptet wird, es gehe darum, ein „nazistisches“ System in der Ukraine zu beseitigen, stellt das nicht nur die Wahrheit auf den Kopf. Die russische Kriegspropaganda beleidigt damit auch die historische Erinnerung an den Kampf gegen das nationalsozialistische Terrorregime und die Rolle der Roten Armee.
Seit einem Jahr bringt dieser Krieg Tod und Zerstörung, Vernichtung und Verwüstung. Das Leiden von Millionen von Ukrainern und den Tod vieler tausender russischer Soldaten haben Putin und sein Regime zu verantworten. Man kann über vieles diskutieren, was in der Außenpolitik der westlichen Länder richtig oder nicht richtiggemacht worden ist. Nichts aber kann diesen verbrecherischen Angriffskrieg rechtfertigen. Niemand in der Ukraine hat Russlands Sicherheit bedroht.
Auch nach einem ganzen Jahr, den dieser Krieg inzwischen andauert, hat Putin keines seiner Kriegsziele erreicht. Die Ukraine wehrt sich mutig und entschlossen. Viele auch bei uns haben anfangs geglaubt, die Ukraine würde der militärischen Kraft der russischen Armeen nicht standhalten können. Dem ist nicht so, wie die letzten zwölf Monate gezeigt haben.
Das hat auch damit zu tun, dass die Solidarität und die Unterstützung der Ukraine vor allem durch die westlichen Länder stärker und geschlossener war als der russische Diktator das angenommen hatte. Umso wichtiger ist es, dass diese Unterstützung anhält.
Die Verteidigung der Ukraine muss erfolgreich sein. Sie muss erfolgreich sein, weil die brutale Logik der Gewalt nicht über das Recht und den Grundsatz der friedlichen Kooperation triumphieren darf. Sie muss erfolgreich sein, weil sonst die Ängste in anderen europäischen Ländern weiterwachsen würden und ein neuer Kalter Krieg die Folge wäre. In diesem Sinne verteidigt die Ukraine auch unsere Sicherheit.
Weil es das wichtigste Ziel ist, einen militärischen Sieg Russlands zu verhindern, müssen wir der Ukraine mit allen unseren Möglichkeiten helfen. Wir müssen die Ukraine humanitär unterstützen, wir müssen sie politisch und ökonomisch unterstützen. Wir müssen ihr aber auch mit militärischem Gerät helfen, ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrzunehmen.
Wir stehen solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine, die um ihre Selbstbestimmung kämpfen.
Wir wollen, dass dieser Krieg bald ein Ende findet, dass Tod, Gewalt und Zerstörung aufhören. Wir sind für einen Verhandlungsfrieden. Wir sehen aber auch, dass ein solcher Frieden realistisch nur dann erreicht werden kann, wenn die Ukraine auch militärisch so stark ist, dass sich Russland gezwungen sieht, einem für die Ukraine akzeptablen Verhandlungsfrieden zuzustimmen, der ihre staatliche Souveränität und Integrität sichert.
Wir wollen zur ersten Wiederkehr des Tages, an dem dieser schreckliche Krieg begonnen hat, ein öffentliches Zeichen setzen. Ein Zeichen des Protests gegen ein autokratisches System in Moskau, das einen Nachbarstaat mit Krieg überzieht und dem das Völkerrecht ebenso gleichgültig ist wie die Folgen des Krieges für die eigene Bevölkerung. Wir wollen aber auch ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine setzen. Wir wollen zeigen, dass wir die ungeteilte und umfassende Solidarität mit dem ukrainischen Volk moralisch und politisch für dringend geboten halten. Wir wollen zeigen, dass die Marburger Bürgerschaft auf Eurer Seite steht – über alle Parteigrenzen und sonstige Unterschiede hinweg.
Deswegen rufen wir Sie alle auf: Kommen Sie zur Protest- und Solidaritätskundgebung am 25. Februar um 16 Uhr auf dem Marktplatz!
Initiative Zeitenwende Marburg
Bündnis 90/Die Grünen Marburg
Die Marburger SPD
CDU Marburg
Klimaliste Marburg
Bürger für Marburg (BfM)
Der Evangelische Kirchenkreis Marburg
Katholisches Dekanat Marburg-Amöneburg
Pulse of Europe Marburg
Junge Europäische Föderalisten (JEF)
Die Ukrainische Community Marburg